Sonntag, 3. April 2016

Funktionelles Krafttraining

Ob konzentriert auf dem Bürostuhl, vor dem Fernseher lungernd, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln, oder im Auto fahrend - Sitzen ist alltäglich und allgegenwärtig. Man bemüht sich mal mehr, mal weniger um den sportlichen Ausgleich: ein Mal die Woche ins Crossfit oder ins Yoga, das muss reichen, denn Sport kostet viel Zeit. Am Ende des Tages belohnt man sich mit einem Bier, oder geht essen, immerhin hat man ja Sport gemacht und darf sich gönnen. Das ist auch schön und gut, aber bei weitem nicht das, was der Körper dringend bräuchte, beziehungsweise was der tatsächliche und sinnvolle Ausgleich zum Alltag wäre. Das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang heißt Funktionelles Krafttraining: alltags relevante Bewegungsmuster werden trainiert, funktionelle Ketten werden gekräftigt und Schwächen gestärkt.
Funktionelles Krafttraining. Was ist das eigentlich? Diese Form des Workouts bezeichnet hauptsächlich das Erlernen, Verbessern und das effizientere Durchführen von Alltagsbewegungen. Damit ist nicht nur Treppensteigen, Gehen, Laufen, Hocken, von einem Stuhl aufstehen usw. gemeint, sondern auch Bewegungen, die unter Last ausgeführt werden. Davon gibt es eine ganze Reihe: das Ein- und Ausladen des Kofferraums, Heben und Tragen der Einkäufe, das über Kopf heben von Kisten und das anschließende hineinschieben dieser in Regale, uvm. Nun ist es so, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man es sich leisten kann, den Alltag so gemütlich wie möglich zu gestalten. Wir sitzen den Großteil des Tages, fahren mit den Öffis oder dem Auto durch die Stadt. In unserer Freizeit machen wir es uns vor dem Fernseher gemütlich, gehen ins Kino, oder in eine Bar. Wenn wir uns dann dazu durchringen ein bisschen Sport zu machen rechtfertigt das oft, am nächsten Tag einfach noch mehr als sonst zu Sitzen und zu Ruhen, mehr zu essen und fauler zu sein, weil man hat ja am Vortag ein wenig geschwitzt.
Das ist alles schön und gut, das Leben macht so Spaß und anders sind wir es auch nicht gewöhnt. Doch der menschliche Bewegungsapparat und das Nervensystem sind zum Großteil auf das Stehen abgestimmt. Man kann diese Tatsache ganz gut mit geschichtlichen Hintergründen veranschaulichen. Im alten Ägypten trugen die Menschen schon vor tausenden von Jahren schwere Lasten auf dem Rücken oder in den Händen beim Erbauen der großen Pyramiden. Die alten Römer aßen ausschließlich im Liegen und in der Landwirtschaft arbeiteten die Menschen schon immer im Stehen und im Hocken auf den Feldern. Nur die höchsten Herrscher, Könige und Pharaos thronten im Sitzen als Status ihrer Macht und ihrer Autorität. Das sitzen auf Stühlen ist eine Erfindung der städtischen, zivilen Kulturen und evolutionär gesehen noch gar nicht so lange üblich, wie das Stehen, Hocken und Liegen. Und wie schon gesagt, der menschliche Bewegungsapparat und das Nervensystem sind zum Großteil auf das Stehen abgestimmt.
Was passiert also mit unserem Körper im heutigen Alltag? Wir sitzen mit einem gebeugten Rücken an einem Schreibtisch mit hervor gezogenen Schultern zur Tastatur, der Kopf ist leicht runter gebeugt, um die Tasten und den Bildschirm gut im Blick zu haben. Der Nacken ist also permanent überstreckt, die Brustmuskulatur verkürzt und die Wirbelsäule in einer unnatürlichen Rundung. Wir trainieren uns Fehlhaltungen an, mit denen wir dann die körperlichen Belastungen des Alltages bewältigen. Im besten Fall kommt es dann zu Verspannungen der Muskulatur, im Schlimmsten Fall zu Gelenksschmerzen und ernsteren Erkrankungen des Bewegungsapparates.
Wir verlernen durch das viele Sitzen und die fehlende Bewegung alltags relevante und wichtige Bewegungsmuster (wie etwa in die Hocke gehen, wieder aufstehen, ein Gewicht vom Boden korrekt aufheben, usw.). Mit funktionellem Training werden genau diese Bewegungsmuster unter Last wieder richtig einstudiert (das Ein- und Ausladen des Kofferraumes, das Tragen von Einkäufen, usw.). Es ist die alltags spezifische Koordination, die trainiert wird. Man muss den Körper im täglichen Geschehen richtig positionieren und das oft auch noch unter Zusatzlast. Es ist wichtig, dass auch mit schweren Lasten trainiert wird (schwere Kniebeugen, Kreuzheben, etc), damit die Bewegungen unter leichteren Umständen perfekt funktionieren. Das kann man am besten mit freien Gewichten, also Langhanteln, Kurzhanteln und Kettlebells erreichen, da diese dem Körper erlauben sich natürlich zu bewegen. Man wird nicht irgendwo von einer Lehne, einem Griff, oder einer Beinpresse eingeschränkt. Jedes Gelenk kann sich bei einem Training mit freien Gewichten so bewegen, wie es von der Natur vorher gesehen ist.
Doch was sind denn nun diese Bewegungsmuster, von denen immer die Rede ist? Es sind unter anderem die Human Movements, die ein Training zum funktionellen Krafttraining machen. Das sind Übungen, bei denen wir etwas von uns weg drücken, zu uns heran ziehen, eine Kniebeugen variante, oder eine Art des Ausfallschrittes machen und Gewicht in irgend einer Form über einen Zeitraum tragen. Denn was machen wir im Alltag? Wir stehen auf (Kniebeuge), gehen/laufen (Ausfallschritt), drücken etwas von uns weg, (vielleicht schieben wir eine Kiste in ein Regal?), ziehen etwas an uns heran (wenn die Straßenbahn bremst, ziehen wir den Griff automatisch an uns heran, um stabil stehen bleiben zu können) und tragen unsere Habseligkeiten mit uns herum (Damenhandtasche, Einkäufe, etc.). Es ist wichtig diese Bewegungsmuster zu trainieren, auch unter Last. Denn je mehr wir sitzen, desto leichter verlernen wir diese wichtigen Bewegungen, für die unser Körper schon seit tausenden von Jahren ausgelegt und gebaut ist. Benutzen und belasten wir unseren Körper nicht mehr so, wie es von der Natur aus vorgesehen ist, werden wir schwächer, bekommen Verspannungen, oder gar Schmerzen.
Okay, jetzt wissen wir was funktionelles Training ist. Aber eine Frage bleibt noch offen: warum ist das Training mit klassischen Fitnessgeräten suboptimal?
Die Antwort ist ganz simpel: klassische Fitnessgeräte sind nicht funktionell. Weder die Bewegungsrichtung, noch die Widerstandsrichtung kommen in der Form, in der sie an den Geräten trainiert werden, im Alltag vor. Es ist nicht ratsam, unser Nervensystem an Bewegungen anzupassen, die wir im Alltag außerhalb des Fitnessstudios nicht durchführen. Wir trainieren für unsere Gesundheit und unseren Körper, nicht für das Studio. Zusätzlich ist das Training mit den Geräten im Fitnessstudio weich und gelenksschonend. Doch der menschliche Körper muss in unserer heutigen Sitz- und Schongesellschaft belastet werden, sonst verlernen unsere Gelenke und Muskeln ihre Aufgabe und Arbeit. Die Folge davon ist, dass wir Gelenksschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, etc. bekommen.
Warum haben sich Fitnessgeräte dann etabliert, wenn sie doch eher suboptimal zum Trainieren sind? Die Antwort darauf ist auch ganz einfach: aus wirtschaftlich profitablen Zwecken. Trainingsgeräte wurden im 19. Jahrhundert für Menschen mit Beschwerden, Krankheiten oder Behinderungen für eine schonende Rehabilitation oder Förderung entwickelt. Als man erkannt hat, dass man viele Sportler für wenig Geld an diesen Geräten trainieren lassen kann, wurden sie weiter entwickelt und für die Massen zugänglich gemacht.
Alles in einem also ist es ratsam funktionelles Training dem klassischen Training an den Fitnessgeräten vorzuziehen. Es ist zwar schön und gut, einen großen Bizeps zu haben, aber gleichzeitig sehr traurig, wenn man ihn nicht benutzen kann, weil man die Funktion des Muskels durch unnatürliche Trainingsbewegungen verlernt hat. Deshalb ist es ratsam Funktionelles Krafttraining den Geräten vorzuziehen, denn es werden alltags relevante Bewegungsmuster trainiert, dabei Muskeln aufgebaut (also den großen Bizeps und den Sixpack bekommt man auch) und der Körper lernt mit den Belastungen des Alltages so schonend wie möglich umzugehen.



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